Vorstellungsgespräch während der Arbeitsunfähigkeit

Überblick

In einem Kündigungsschutzverfahren hatte das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern die Frage zu klären, ob ein Arbeitnehmer gekündigt werden darf, weil er ein Vorstellungsgespräch während der Arbeitsunfähigkeit wahrgenommen hatte.

Der Arbeitnehmer hatte sich auf eine andere Stelle beworben. Er wurde dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Problem: Er war in dieser Zeit, in der das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte, krankgeschrieben. Sein rechter Arm war wegen eines eingeklemmten Nervs bewegungsunfähig. Sein Arzt hatte ihm dazu geraten, dass er deshalb den rechten Arm nicht belasten solle.

Der Arbeitnehmer nahm das Vorstellungsgespräch während der Arbeitsunfähigkeit trotzdem wahr. Sein Arbeitgeber erfuhr davon und sprach eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Vor dem Arbeitsgericht Stralsund (Arbeitsgericht Stralsund Urteil vom 07.02.2012, 1 Ca 307/11) erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und gewann. Nachdem der Arbeitgeber in die Berufung vor das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 05.03.2013, 5 Sa 106/12) zog, gewann der Arbeitnehmer auch dieses Verfahren.

Das Landesarbeitsgericht prüfte hier, ob folgende Punkte als wichtige Gründe gemäß § 626 Bürgerliches Gesetzbuch für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen:

Dürfen Arbeitnehmer zum Vorstellungsgespräch während der Arbeitsunfähigkeit?

Grundsätzlich hat ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seiner Ausfallzeit durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst schnell überwindet. Dies bedeute jedoch nicht, dass er stets nur das Bett zu hüten hat oder jedenfalls die eigene Wohnung nicht verlassen sollte. Vielmehr ist auf die vorliegende Krankheit abzustellen, um ermessen zu können, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.

Warum deshalb im vorliegenden Falle die Wahrnehmung des Vorstellungsgespräches während der Arbeitsunfähigkeit verboten sein solle, konnte das Landesarbeitsgericht nicht erkennen. Dem Arbeitnehmer durfte jedenfalls deshalb nicht gekündigt werden.

Durfte hier ein Abkehrwille angenommen werden?

Weiterhin prüfte das Landesarbeitsgericht, ob mit der Wahrnehmung des Vorstellungsgesprächs während der Arbeitsunfähigkeit ein Abkehrwille des Arbeitnehmers zu sehen sei. Das Landesarbeitsgericht lehnte dies jedoch ab.

Ein Abkehrwille bedeutet, dass Arbeitnehmer zum Ausdruck bringen, nicht mehr beim Arbeitgeber arbeiten zu wollen.

Ein solch gezeigter Abkehrwille rechtfertige jedoch nicht ohne weiteres die Kündigung. Solange der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kann es ihm grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, dass er sich nach einer anderen Tätigkeit umschaut. Art. 12 des Grundgesetzes gewährt dem Arbeitnehmer die freie Arbeitsplatzwahl. Eine Kündigung könne daher allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zu Gunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässigt oder wenn der Arbeitgeber die Chance hat, für den abkehrwilligen Arbeitnehmer eine andere Person einzustellen.

Der Arbeitnehmer gewann somit in beiden Instanzen die Kündigungsschutzklage. Zurück zu seinem alten Arbeitsplatz wollte er dennoch nicht und machte von seinem Recht nach § 9 Kündigungsschutzgesetz Gebrauch. Demnach können Arbeitgeber eine Abfindung einklagen, wenn Sie das Kündigungsschutzverfahren gewonnen haben, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aber aus konkreten Gründen nicht zumutbar ist.

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