Überblick
Was ist eine Druckkündigung?
Eine Druckkündigung liegt immer dann vor, wenn Dritte vom Arbeitgeber die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangen und deshalb Druck auf den Arbeitgeber ausüben.
Dieser Druck kann von anderen Mitarbeitern, Gewerkschaften, Betriebsräten, Aufsichtsräten, Entleihern oder auch Kunden oder Lieferanten des Arbeitgebers kommen. Wichtig dabei ist, dass dem Arbeitgeber konkrete Nachteile angedroht werden, sollte er den jeweiligen Arbeitnehmer nicht entlassen.
Beispiele Druckkündigung
- Die Mitarbeiter einer Bildungseinrichtung beschweren sich bei ihrem Arbeitgeber über eine Vorgesetzte, die den Betriebsfrieden erheblich störe und deshalb nicht mehr tragbar sei. Sogar die Schüler gehen in den Streik und verweigern die Teilnahme am Unterricht. Daraufhin erklären sieben Mitarbeiter, die Sekretärin und der Hausmeister der Bildungseinrichtung, dass sie eine Zusammenarbeit mit der Vorgesetzten ablehnen, weil ihr Verhalten die Existenz der Schule gefährde. Gleichzeitig drohen sie damit, dass sie kündigen werden, wenn die Vorgesetzte nicht entlassen werde. Der Arbeitgeber kündigt ihr daraufhin (Kündigung unwirksam – Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15).
- Über eine angestellte Trainerin im Turnsport wird in einschlägigen Medien berichtet, dass sie einen unzuträglichen Umgang mit den Kindern während des Trainings pflege. Sie verabreiche ihnen Schmerzmittel, obwohl dies nicht angebracht sei, gehe mit Verletzungen der Kinder sehr ignorant um oder misshandele sie auch. Insgesamt gibt es eine Vielzahl von Beschwerden der Eltern, die lokalen sowie bundesweiten Medien berichten intensiv darüber. Der Dachverband des Turnvereins DTB droht daraufhin dem Verein jegliche Zusammenarbeit zu beenden und alle Geschäftsbeziehungen abzubrechen, wenn der Turnverein die angestellte Trainerin nicht entlasse. Der Trainerin wird daraufhin außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt (Kündigungen unwirksam – Arbeitsgericht Chemnitz Urteil vom 01.10.2021 – 10 Ca 662/21).
- Der Arbeitnehmer ist Angestellter einer amerikanischen Bank, die eine Niederlassung in Frankfurt hat. Sitz der Bank ist in New York, die dortige Aufsichtsbehörde ist für die Bank zuständig. Der deutsche Arbeitnehmer, der in Frankfurt arbeitet, hat lange Zeit den Zahlungsverkehr mit Kunden abgewickelt, die von einem US-Embargo betroffen waren. Die Aufsichtsbehörde in New York verlangt deshalb die Entlassung dieses Arbeitnehmers und droht damit anderenfalls die Lizenz der Bank einzuschränken oder ganz zu entziehen. Daraufhin erhält der Arbeitnehmer eine Kündigung (Kündigung unwirksam – Arbeitsgericht Frankfurt Urteil vom 10.11.2015 – 5 Ca 2210/15).
Wann ist eine Druckkündigung wirksam?
Für die Druckkündigung gibt es zwei Szenarien:
- unechte Druckkündigung
Obwohl Druck ausgeübt wird, liegen unabhängig hiervon auch verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Gründe beim Arbeitnehmer vor. Eine Kündigung kann dann auf diese Gründe gestützt werden – wie bei einer normalen Kündigung.
- echte Druckkündigung
Es liegen gar keine verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Kündigungsgründe des Arbeitnehmers vor. Die Kündigung soll ausschließlich darauf gestützt werden, dass Dritte Druck mit Androhung erheblicher Nachteile ausüben.
Unter diesen Umständen ist eine Druckkündigung nur unter folgenden engen Voraussetzungen wirksam (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.07.2013 – 6 AZR 421/12):
- der Arbeitgeber hat sich schützend vor seinen Arbeitnehmer gestellt
- er konnte die Drohung nicht abwenden
- es drohen ihm schwere wirtschaftliche Schäden
- die Kündigung ist das einzige Mittel, das zur Abwendung in Betracht kommt
- der Arbeitgeber hat die Drucksituation nicht selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt.
Das Bundesarbeitsgericht sieht in einer echten Druckkündigung immer eine betriebsbedingte Kündigung. Die Erzwingung einer solchen Kündigung ist als dringendes betriebliches Erfordernis zu qualifizieren (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.06.1986 – 2 AZR 563/85). Die Durchführung einer Sozialauswahl – wie bei betriebsbedingten Kündigungen häufig erforderlich – wird jedoch nicht nötig sein, weil sie in diesem Falle keinen Sinn macht.
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Wie kann der Arbeitgeber sich bei einem Druck schützend vor seinen Arbeitnehmer stellen?
Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten: So kann der Arbeitgeber zuallererst versuchen, denjenigen, der Druck ausübt davon zu überzeugen, dass und warum er seinen Arbeitnehmer nicht kündigen möchte. Diesen Druck einfach hinzunehmen, ohne sich dagegen zu stellen, reicht für die Wirksamkeit einer Druckkündigung nicht aus. Er muss aktiv versuchen den Druck abzuwehren. Nur Gespräche zwischen dem Arbeitnehmer und denjenigen zu vermitteln, die den Druck ausüben, reicht nicht aus (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.07.2016 – 2 AZR 637/15). Drohen andere Mitarbeiter die Arbeit niederzulegen, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht gekündigt wird, muss der Arbeitgeber den drohenden Mitarbeitern zumindest arbeitsrechtliche Sanktionen in Aussicht stellen, wenn das Niederlegen der Arbeit unzulässig ist (Bundesarbeitsgericht 15.12.2016 – 2 AZR 431/15).
Diese Anforderungen werden an den Arbeitgeber sogar dann gestellt, wenn der Arbeitnehmer außerdienstlich eine schwere, moralisch sehr verwerfliche, Straftat begangen hat und deshalb andere Mitarbeiter seine Kündigung verlangen.
Beispiel außerdienstliche Straftat und Druckkündigung
Der als Hafenfacharbeiter im Containerterminal tätige Arbeitnehmer wird wegen Missbrauchs eines Kindes strafrechtlich verurteilt. Die Tat hat er außerdienstlich, privat begangen. Nachdem seine Kollegen dies erfahren, verlangen sie vom Betreiber des Containerterminals, dass er dem verurteilten Arbeitnehmer kündigt. Sie drohen damit ansonsten die Arbeit niederzulegen. Hier muss der Arbeitgeber den drohenden Mitarbeitern arbeitsrechtliche Sanktionen in Aussicht stellen, wenn sie die Arbeit tatsächlich niederlegen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 431/15)., da die Niederlegung der Arbeit unzulässig ist.
Darf der Betriebsrat die Kündigung eines Arbeitnehmers verlangen?
Ja, der Betriebsrat kann sogar einen Anspruch darauf haben, dass ein Arbeitnehmer gekündigt wird. Dies ist eine besondere Form der Druckkündigung. Sollten die Voraussetzungen der § 104 Abs. 1 und § 75 Betriebsverfassungsgesetz vorliegen, darf der Betriebsrat die Entlassung eines Arbeitnehmers vom Arbeitgeber verlangen.
Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise rassistisch auftritt, den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich stört oder Mitarbeiter sexuell belästigt etc.
Das Verlangen des Betriebsrats den Arbeitnehmer zu kündigen ist kein alleinstehender Kündigungsgrund. Es wird vielmehr ein Kündigungsgrund vorausgesetzt, der Betriebsrat müsste dann jedoch die Kündigung wegen dieses Grundes verlangen.
Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Druckkündigung anhören?
Nein, das ist nicht erforderlich. Es handelt sich bei der Druckkündigung um eine betriebsbedingte Kündigung, nicht um eine personenbedingte Verdachtskündigung. Deshalb ist hier auch eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers nicht notwendig (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 04.10.1990 – 2 AZR 201/90).
Muss der Betriebsrat vor einer Druckkündigung angehört werden?
Ja, der Betriebsrat muss vor einer Druckkündigung angehört werden. § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass eine Betriebsratsanhörung vor jeder Kündigung erfolgen muss. Dies gilt auch für eine Druckkündigung.
Kann der Arbeitgeber eine außerordentlichen Druckkündigung aussprechen?
Die Druckkündigung ist grundsätzlich sowohl als außerordentliche Kündigung, als auch als ordentliche Kündigung möglich. Ist der Druck entsprechend hoch, kann der Arbeitgeber auch eine außerordentliche Druckkündigung aussprechen. Dies wird eher dann in Betracht gezogen werden, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise aufgrund tarifvertraglicher Gründe nicht mehr ordentlich kündbar ist und dem Arbeitgeber nur noch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist bleibt. Sollte es sich um eine klassische außerordentliche Druckkündigung handeln, so müssen auch hier die weiteren Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen. Das wird in der Praxis allerdings sehr selten der Fall sein.
Welche weiteren Möglichkeiten hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu entlassen?
Der Arbeitgeber kann neben der Kündigung auch hilfsweise (also für den Fall, dass er die Kündigungsschutzklage verliert) beim Arbeitsgericht einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz stellen. Dieser besagt folgendes:
„Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung stellen.“
Arbeitgeber müssen in diesem Falle genau vortragen, warum die weitere Zusammenarbeit den Betriebszwecken undienlich ist. Dazu bedarf es einer Prognose über die Aussichten einer untragbaren Gefährdung. Die Anforderungen dazu sind zwar streng. Sie dürfen aber nicht den Grad eines Kündigungsgrundes erreichen, weil der Arbeitgeber dann ja wegen dieser Kündigungsgründe hätte auch wirksam kündigen können. Als den Betriebszwecken undienliche Gründe können die Drohungen weiterer Mitarbeiter in Frage kommen, dass sie kündigen werden oder dass tatsächlich ein schwerwiegender wirtschaftlicher Schaden bei einer Weiterbeschäftigung droht, die zu einer Insolvenz des Betriebs führen kann.
Dagegen ist auch zu berücksichtigen, ob ein vorwerfbares Verhalten des Arbeitgebers eine Rolle spielt oder Veränderungen in der Belegschaft oder ein Austausch von Vorgesetzten in der Zwischenzeit erfolgt ist. Dies ist deshalb wichtig, weil eben der Auflösungsantrag nur über eine Prognose begründet werden kann. Alles, was in der vermuteten Zukunft für und wider einen Auflösungsantrag sprechen kann, ist in die Waagschale zu werfen.
Der Auflösungsantrag bei sittenwidriger Kündigung
Sollte die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam sein, beispielsweise, weil sie sittenwidrig war oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat, kommt gemäß § 13 Kündigungsschutzgesetz ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht in Betracht.
Abfindungsanspruch bei erfolgreichem Auflösungsantrag
Ist der Arbeitgeber allerdings mit dem Auflösungsantrag erfolgreich, dann verpflichtet ihn das Arbeitsgericht dazu dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu zahlen. Dies wird häufig auf eine Regelabfindung hinauslaufen, mit der ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr bezahlt werden muss.
Habe ich Schadensersatzansprüche nach einer Druckkündigung?
Stellt sich heraus, dass keinerlei objektiv begründete Interessen die Drohungen rechtfertigten, kann dem betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich ein Schadensersatzanspruch gegenüber den drohenden Dritten entstehen (Bundesarbeitsgericht 04.06.1998 – 8 AZR 786/96). Teilweise wird auch ein Unterlassungsanspruch gegen den drohenden Dritten für möglich gehalten, so dass betroffene Arbeitnehmer auch direkt gegen diesen Dritte vorgehen können, bevor sie gekündigt werden.
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