Überblick
Wer als Psychologe in einer Tagesklinik arbeitet und eine intime Beziehung mit einer Patientin führt, kann deshalb außerordentlich gekündigt werden, wie das Landesarbeitsgericht Köln entschied (Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 18.03.2021 – 8 Sa 765/20).
Im vorliegenden Fall ist ein Diplom-Psychologe als psychologischer Leiter einer Tagesklink beschäftigt. Eine Approbation hat er jedoch nicht. Er ist Teil eines Ärzte-Teams, das die Patientin behandelt. Er beginnt daraufhin eine intime Beziehung mit der Patientin, bei der eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde. Eine Mitarbeiterin aus der Ergotherapie bekommt das mit. Sie gibt diese Information dem Klinik-Direktor weiter, dieser informiert daraufhin den Geschäftsführer, als auch den Personalleiter. Der betroffene Arbeitnehmer wird anschließend zum Gespräch zitiert und zu den Vorwürfen angehört. Auch der Betriebsrat wird hinsichtlich einer beabsichtigten Kündigung ordnungsgemäß angehört. Der Betriebsrat teilt jedoch seine Bedenken gegen die Kündigung mit. Dennoch erklärt der Arbeitgeber die außerordentlich, hilfsweise ordentliche Kündigung.
Der Kläger geht mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vor. Er verliert sowohl in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Siegburg (Arbeitsgericht Siegburg Urteil vom 01.07.2020 – 4 Ca 2095/19), als auch in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 18.03.2021 – 8 Sa 765/20). Die außerordentliche Kündigung ist wirksam.
Darf ein Psychologe eine intime Beziehungen mit einer Patientin führen?
Das ist arbeitsrechtlich nicht erlaubt. Zudem kann das Verhalten strafbar sein. Das Verhältnis zwischen Psychologen und ihren Patienten ist ein sehr sensibles Verhältnis, das rechtlich sehr geschützt ist. Deshalb sehen die Berufsordnungen für Psychotherapeuten auch das Verbot von sexuellen Kontakten zu Patientinnen und Patienten vor, so beispielsweise in § 7 der Hamburger Berufsordnung für Psychotherapeuten oder § 6 der Berliner Berufsordnung für Psychotherapeuten. Zudem sollen Psychotherapeuten ihre sozialen Kontakte zu den Patienten so gering wie nur möglich halten, damit eine bestimmte Unabhängigkeit und Unbefangenheit der Therapeuten gewährleistet bleibt.
Der Gesetzgeber ging jedoch deutlich weiter und hat in § 174c Strafgesetzbuch sogar die Strafbarkeit verankert, wenn ein Missbrauch oder schon der Versuch des Missbrauchs vorliegt. Das Gesetz besagt:
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch des
Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Behandlungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Arbeitsrechtlich ist es zudem problematisch, dass der Ruf der jeweiligen Klinik geschädigt werden kann. Dies werden Arbeitgeber jedenfalls in solchen Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern mit ins Feld führen. Eine Rufschädigung selbst wird nur in wenigen Fällen als Kündigungsgrund anerkannt.
Darf ein Psychologe nach Abschluss der Therapie eine intime Beziehung mit einer Patientin führen?
Das ist nur nach Ablauf einer bestimmten Karenzzeit möglich. Wie lange diese Karenzzeit dauern soll, ist nicht einheitlich geregelt. So sieht beispielsweise die Niedersächsische Berufsordnung für Psychotherapeuten vor, dass schon für die Anbahnung privater Kontakte nach Beendigung der Therapie ein zeitlicher Abstand von mindestens einem Jahr eingehalten werden sollte, § 6 Abs. 7. Die Kammern von Hamburg und Berlin sehen eine konkrete Karenzzeit nicht vor, in der Hamburger Berufsordnung ist lediglich von einem angemessenen Zeitraum die Rede, § 7 Abs. 4. Die deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie empfiehlt in ihren Ethikrichtlinien dagegen fünf Jahre Abstinenz, II.1.c. Letzteres dürfte jedoch für eine rechtliche Beurteilung lediglich eine Orientierung sein, mehr nicht. Ein verpflichtender Charakter, der auch kündigungsrelevant wäre, dürfte ihr nicht beigemessen werden.
Muss ein Psychologe vorher abgemahnt werden, wenn er eine intime Beziehung mit einer Patientin führt?
Nein, nach Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln ist in solchen Fällen eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Das Verhalten sei derart schwerwiegend, dass der Arbeitgeber das Verhalten auch nicht erstmalig hinnehmen muss und gleich die außerordentliche Kündigung aussprechen darf.
Welche Folgen hat eine wirksame außerordentliche Kündigung?
Eine wirksame außerordentliche Kündigung kann schwerwiegende Folgen für Arbeitnehmer nach sich ziehen. Zum einen verliert der Arbeitnehmer sofort seine Arbeit und damit auch sein regelmäßiges Einkommen. Zudem wird sein Arbeitslosengeld I für die ersten drei Monate gekürzt. Sollten Arbeitnehmer keine Rücklagen für diese Zeit haben, müssten sie Sozialleistungen wie Bürgergeld beantragen. Schwerwiegend ist auch, dass Arbeitnehmer ein schlechtes Arbeitszeugnis erhalten können, das ihr berufliches Fortkommen beeinträchtigen kann. Letztlich ist der Arbeitgeber auch berechtigt Schadensersatz vom Arbeitnehmer zu verlangen. Das kommt in der Praxis selten vor, ist aber möglich. Der Arbeitgeber müsste dann vortragen, welchen konkreten materiellen Schaden er aufgrund dieser schwerwiegenden Pflichtverletzung erlitten hat und diesen Schaden genauso konkret beziffern können.
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