Diskriminierung im Kündigungsschutz

Überblick

Welche Bedeutung hat die Diskriminierung im Kündigungsschutz?

Die Diskriminierung im Kündigungsschutz kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden: Zum einen kann der Kündigungsgrund diskriminierend und die Kündigung damit unwirksam sein. Zum anderen können Arbeitnehmer gekündigt werden, weil sie andere diskriminiert haben.  Möglich ist auch, dass beide Szenarien zusammenfallen, auch wenn dies in der Praxis sehr selten vorkommt. Diese Perspektiven werden nachfolgend erläutert.

Was ist eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz?

Die Diskriminierung im Kündigungsschutz ist im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt. Eine Diskriminierung liegt demnach vor, wenn Arbeitnehmer aus Gründen

  • ihrer Rasse
  • wegen der ethnischen Herkunft
  • des Geschlechts
  • der Religion
  • oder Weltanschauung
  • einer Behinderung
  • des Alters
  • oder der sexuellen Identität

benachteiligt werden. Bei der Diskriminierung im Kündigungsschutz wird nicht unterschieden, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer diskriminiert oder Arbeitnehmer andere Arbeitnehmer diskriminieren.

Beispiele für Diskriminierung im Kündigungsschutz

  • Kündigung einer Schwangeren (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 16. September 2015 – 23 Sa 1045/15).
  • Kündigung eines AIDS-Kranken, auch wenn der keine Symptome hat. Das Bundesarbeitsgericht hat hier angenommen, dass eine Behinderung vorliegt und die Kündigung deshalb gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt. (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12).
  • Kündigung einer russischsprachigen Mitarbeiterin, weil der Geschäftsführer den russischen Akzent gegenüber Kunden für unvorteilhaft hält (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 Sa 29/10).
  • Restaurantfachfrau erhält Kündigung, weil sie gegenüber ihrem Arbeitgeber äußerte sich wegen ihres Kinderwunsches in medizinische Behandlung begeben zu wollen – (Arbeitsgericht Dresden Urteil vom 21.04.2011 – 9 Ca 576/10).

Wann liegt eine Benachteiligung bei der Diskriminierung im Kündigungsschutz vor?

Diskriminierung bedeutet, dass ein Arbeitnehmer benachteiligt wurde. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz unterscheidet zwischen einer unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung.

Die unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, § 3 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz.

Dagegen liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn die Benachteiligung ist gerechtfertigt, § 3 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz.

Das Diskriminierungsmerkmal selbst muss im Zusammenhang mit der Kündigung stehen, aber nicht ausschließlicher Grund für die Kündigung sein. Das heißt: selbst wenn der Arbeitgeber mehrere Gründe hatte dem Arbeitnehmer zu kündigen und nur einer dieser Gründe war diskriminierend, reicht das schon aus, eine Diskriminierung im Kündigungsschutz anzunehmen.

Auch muss der Arbeitgeber nicht schuldhaft gehandelt haben oder die Absicht gehabt haben mit der Kündigung diskriminieren zu wollen. Es reicht vollkommen aus, dass schon quasi ungewollt eine Diskriminierung mit der Kündigung stattgefunden hat (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12).

Wer muss beweisen, dass eine Benachteiligung vorliegt?

Der Arbeitnehmer muss Indizien vortragen, wonach eine Benachteiligung besteht, die Kündigung also diskriminierend ist. Indizien sind allerdings keine Vollbeweise. Im Gegensatz zu den Vollbeweisen muss das Gericht von der Behauptung nicht überzeugt sein, sondern lediglich von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen können.

Den Vollbeweis muss der Arbeitnehmer dagegen hinsichtlich der anderen Voraussetzungen erbringen, wie beispielsweise, dass er eine Behinderung auch wirklich hat oder einer bestimmten Religion oder sexuellen Identität zugehörig ist. Hier reichen Indizien nicht aus. Die Beweiserleichterung, erstmal nur Indizien vortragen zu müssen, bezieht nur auf den Benachteiligungsgrund, also auf die Diskriminierung. Hierfür hat der Gesetzgeber diese Vereinfachung für die Betroffenen geschaffen.

Insgesamt handelt es sich bei dieser Beweislastverteilung um einen Unterschied zu den „normalen“ Kündigungsgründen. Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten, betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen muss der Arbeitgeber den Beweis erbringen, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Behauptet der Arbeitnehmer dann, dass diese Kündigung diskriminierend war, muss er die Indizien beziehungsweise die Beweise vortragen.

Ist eine Kündigung unwirksam, wenn sie gleichzeitig diskriminierend ist?

Ja, die Kündigung ist sozialwidrig und damit unwirksam, wenn die Kündigung gegen die Diskriminierungsverbote der §§ 1 – 10 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Zwar sieht das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in § 2 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vor, dass die Regelungen zu den Diskriminierungsverboten auf Kündigungen keine Anwendung finden sollen. Das Bundesarbeitsgericht zieht die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes jedoch als Auslegungshilfe für die unbestimmten Rechtsbegriffe im Kündigungsschutzrecht heran (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 06. November 2008 – 2 AZR 523/07), so dass im Ergebnis auch Benachteiligungen beziehungsweise Diskriminierungen hier zugunsten von Arbeitnehmern berücksichtig werden. Insofern ist jede Kündigung, die diskriminierend ist, unwirksam.

Habe ich bei einer diskriminierenden Kündigung Anspruch auf Entschädigung?

Grundsätzlich ja. Stellt die Kündigung auch gleichzeitig eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar, dann kann der Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom Arbeitgeber eine Entschädigung verlangen. Entschädigung bedeutet die Zahlung für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist. Schadensersatz bedeutet dagegen Zahlung für einen Schaden, den Arbeitnehmer beziffern können, § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Beide Ansprüche können geltend gemacht werden.

Was ist der Unterschied zwischen einer Abfindung und einer Entschädigung?

Die Abfindung zahlt der Arbeitgeber in der Regel freiwillig und sie dient dazu, den Verlust des Arbeitsplatzes zu kompensieren. Eine Entschädigung ist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dagegen eine Zahlung für das erlittene Unrecht, also eine Art von Schmerzensgeld. Sie kann eingeklagt werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Eine Abfindung dagegen kann in der Regel nicht eingeklagt werden.

 

Was ist der Unterschied zwischen einem Schmerzensgeld und einer Entschädigung?

Das Schmerzensgeld hat eine Genugtuungs- und Wiedergutmachungsfunktion. Der Geschädigte soll für das erlittene Leid einen finanziellen Ausgleich erhalten. Beim Entschädigungsanspruch nach einer Diskriminierung geht es darum, den Arbeitgeber zu sanktionieren beziehungsweise zu bestrafen. Insofern hat der Entschädigungsanspruch einen anderen Charakter. Gleichwohl – ähnlich wie beim Schmerzensgeld – müssen Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht vortragen, wie schwer die Diskriminierung war, welche Folgen sie für den Arbeitnehmer hatte, was der Anlass für eine solche Diskriminierung war etc. Nur festzustellen, dass eine Diskriminierung im Kündigungsschutz vorlag, wird für die Bestimmung der Höhe der Entschädigungssumme nicht ausreichen.

Wieviel Entschädigung kann ich bei einer Diskriminierung im Kündigungsschutz von meinem Arbeitgeber verlangen?

Das Gesetz spricht von einer angemessenen Höhe der Entschädigung, konkrete Summen sind nicht vorgesehen und nur vom Arbeitsgericht zu bestimmen. Insofern sind immer die Besonderheiten des Einzelfalles wichtig, bei dem ein angemessenes Verhältnis der Entschädigungssumme zum erlittenen Schaden hergestellt werden solle. Deshalb ist es wichtig bei einer Diskriminierung im Kündigungsschutz vorzutragen, unter welchen Umständen es zu dieser Diskriminierung kam, welche Folgen sie hatte und warum sie so schwerwiegend gewesen ist.

Beispiele für Entschädigungen bei Diskriminierung im Kündigungsschutz

  • Kündigung einer Schwangeren: 1.500,00 EUR (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 16. September 2015 – 23 Sa 1045/15).
  • Kündigung einer russischstämmigen Mitarbeiterin. Ihr Vorgesetzter sprach die Kündigung aus, weil er sich an ihrem russischen Akzent gestört fühlte: 5.400,00 EUR – entsprach drei Monatsvergütungen (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 Sa 29/10).
  • Kündigung einer Mitarbeiterin in einem Restaurant, weil sie ihrem Arbeitgeber mitgeteilt hatte, dass sie sich wegen ihres Kinderwunsches medizinisch behandeln lassen will: 3.600,00 EUR – entsprach drei Monatsvergütungen (Arbeitsgericht Dresden Urteil vom 21.04.2011 – 9 Ca 576/10).

Ist eine diskriminierende Kündigung innerhalb der Probezeit möglich?

Nein, diskriminierende Kündigung bleiben auch innerhalb der Probezeit unwirksam. Grundsätzlich können Arbeitgeber innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen zwar kündigen. Ist die Kündigung aber diskriminierend, bleibt sie auch innerhalb der Probezeit unwirksam. Eine solche Kündigung verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und ist deshalb nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz unwirksam (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12).

Ist eine diskriminierende Kündigung innerhalb der Wartezeit möglich?

Nein, ähnlich wie bei einer diskriminierenden Kündigung innerhalb der Probezeit, ist auch eine solche Kündigung innerhalb der Wartezeit unwirksam. Die Wartezeit ist im Gegensatz zur Probezeit eine gesetzliche Anforderung, die besagt, dass Arbeitnehmer mindestens sechs Monate beschäftigt sein müssen, damit das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden kann. Kündigungen innerhalb der Wartezeit können so ohne Gründe ausgesprochen werden. Eine solche vereinfachte Kündigung ist allerdings nicht möglich, wenn sie gleichzeitig diskriminierend ist.

 

Welche Fristen müssen bei Diskriminierung im Kündigungsschutz beachtet werden?

Auch hier müssen Arbeitnehmer die 3-Wochen-Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage strengstens beachten. Wollen sie zusätzlich eine Entschädigungszahlung beanspruchen, weil die Kündigung diskriminierend ist, muss dieser Anspruch innerhalb von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden, § 21 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Anschließend haben Arbeitnehmer drei weitere Monate, um den Entschädigungsanspruch einzuklagen, § 61b Arbeitsgerichtsgesetz

Insofern ist es ratsam, die Entschädigungszahlung bei Diskriminierung im Kündigungsschutz immer mit Erhebung der Kündigungsschutzklage gleich zu beantragen.  Arbeitnehmer müssen jedoch nicht Kündigungsschutzklage und Entschädigungsklage gemeinsam einreichen. Sie können sich auch nur für eine Klage entscheiden, so beispielsweise, wenn sie die Kündigung hinnehmen wollen, aber eine Entschädigung einklagen (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 Sa 29/10).  

 

Kann eine Diskriminierung im Kündigungsschutz auch gerechtfertigt sein?

Ja, Benachteiligungen können auch rechtlich zulässig sein, dies sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in den §§ 8, 9, 10 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz auch so vor.

Dies sind Bestimmungen die die Benachteiligungen wegen der beruflichen Anforderungen, wegen Religion und Weltanschauung oder des Alters betreffen.