Überblick
Wer als Beschäftigter im öffentlichen Dienst Hitlers „Mein Kampf“ in der Mittagspause liest und dabei das Hakenkreuz auf dem Einband sichtbar ist, kann außerordentlich gekündigt werden, so das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.09.2017 – 10 Sa 899/17).
Der Arbeitnehmer war beim Land Berlin im Allgemeinen Ordnungsdienst angestellt. Er hatte die Aufgabe in seinem Bezirk zu beobachten, dass bei der Nutzung der Straßen und öffentlichen Einrichtungen die geltenden Gesetze eingehalten werden. Zum Zeitpunkt der Kündigung kontrollierte er überwiegend Parkanlagen und Verstöße von Hundehaltern.
Während einer Mittagspause las der Arbeitnehmer im Pausenraum der Behörde in Hitlers „Mein Kampf“. Er hielt das Buch während des Lesens teilweise offen in der Hand und legte es auch auf den Tisch. Es handelte sich bei der Version des Buches um eine mit besonderem Einband, auf dem das Hakenkreuz deutlich sichtbar war.
Der Schichtleiter sah das zufällig und wies den Arbeitnehmer darauf hin, dass er dieses Buch dort nicht lesen dürfe und das zu Hause machen solle. Der Arbeitnehmer entschuldigte sich zwar dafür und sprach von einem „Augenblickversagen“, las aber trotzdem weiter. Sein Schichtleiter bat ihn zweimal darum, das Buch wegzulegen. Der Arbeitnehmer kam dem aber nicht nach und ignorierte die Anweisung seines Schichtleiters. Der Arbeitnehmer wurde einige Tage später zu der Sache angehört. Anschließend erhielt er eine außerordentlich, hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung. Eine vorherige Abmahnung erhielt der Arbeitnehmer nicht. Der Arbeitnehmer ging mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin (Arbeitsgericht Berlin, 17.05.2017, 21 Ca 12018/16) gegen die Kündigung vor, erlitt allerdings eine Niederlage.
Auch die nächsthöhere Instanz, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.09.2017 – 10 Sa 899/17), bestätigte die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.
Ist es ein Kündigungsgrund, wenn Arbeitnehmer „Mein Kampf“ in der Mittagspause lesen?
Es ist grundsätzlich erstmal kein Kündigungsgrund, „Mein Kampf“ in der Mittagspause zu lesen. In diesem Falle bestanden jedoch folgende Besonderheiten:
- Das Hakenkreuz war auf dem Einband deutlich sichtbar
- es handelte sich um einen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und vor allem des Ordnungsamtes
- er las das Buch in einem Pausenraum, der auch für andere Kollegen zugänglich war
- der Arbeitnehmer ist den mehrmaligen Aufforderungen seines Schichtleiter, das Buch wegzulegen, nicht nachgekommen ist.
Deshalb hängt die Beantwortung der Frage immer von den weiteren Umständen ab.
Gibt es für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gesteigerte Loyalitätspflichten?
Ja. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst haben einen besonderen Bezug zu staatlichen Aufgaben, deshalb haben sie auch gesteigerte Loyalitätspflichten gegenüber ihren staatlichen Arbeitgebern.
In jedem Arbeitsverhältnis haben Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch die Pflicht, Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers zu nehmen, um damit die Förderung des Vertragszwecks zu schützen. Damit wird ein Mindestmaß an Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer definiert.
Bei Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst kommen die gesteigerten Loyalitätspflichten hinzu. Dies sieht der für diesen Bereich geltende Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin in § 3 Abs. 2 Satz 2 vor. Demnach müssen Beschäftigte im öffentlichen Dienst sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Beschäftigte haben sich so zu verhalten, dass das Vertrauen der Bürger in den öffentlichen Dienst keinen Schaden erleidet, weil Zweifel an der Haltung des jeweiligen Arbeitnehmers bestehen.
Ist das Zeigen von Hakenkreuzen während der Arbeit verboten?
Das Hakenkreuz ist nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch das Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation. Wer solche Kennzeichen verwendet, macht sich grundsätzlich strafbar. Ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht ist jedoch unabhängig davon zu beurteilen, ob es für eine Kündigung ausreicht. Denn die arbeitsrechtliche Frage ist getrennt von der strafrechtlichen Frage zu beurteilen. Im arbeitsrechtlichen Teil kommt es alleine darauf an, wie schwerwiegend die Vertragspflichtverletzung ist, nicht, ob das Verhalten auch strafbar ist. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat er Arbeitnehmer in diesem Falle das Hakenkreuz verwendet und damit gegen seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten erheblich verstoßen.
Warum ist in diesem Falle eine vorherige Abmahnung entbehrlich?
Eine Abmahnung vor einer außerordentlichen Kündigung ist unter anderem immer dann entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass der Arbeitgeber das Verhalten nicht hinnehmen muss.
Der Arbeitnehmer habe in diesem Falle nicht einfach nur gedankenlos in einem sogenannten „Augenblicksversagen“ gehandelt. Das haben das Arbeitsgericht Berlin, als auch Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dem Arbeitnehmer nicht geglaubt. Denn das Buch sei ja nicht aus Versehen in das Eigentum des Arbeitnehmers gelangt. Auch hat er nicht versehentlich das Buch in seinen Rucksack getan, es zur Arbeit mitgenommen und es völlig überraschend gelesen. Vielmehr hat der Arbeitnehmer das Buch „Mein Kampf“ in der Mittagspause bewusst vorgeführt. Und wollte auch gezielt provozieren, so die Arbeitsgerichte.
Damit hat der Arbeitnehmer zudem gezeigt, dass er keine Probleme damit hat, nationalsozialistische Kennzeichen zu verwenden. Bei einem uniformierten Angestellten des öffentlichen Dienstes, der das Land Berlin nach außen vertritt und Verstöße gegen die Rechtsordnung festzustellen hat, wiegt die Pflichtverletzung besonders schwer. Der Arbeitnehmer hätte vielmehr das Buch wegpacken sollen, nachdem er von seinem Schichtleiter dazu aufgefordert wurde. Dann wäre der Streit um „Mein Kampf“ in der Mittagspause womöglich anders ausgegangen.