sexuelle Belästigung

Überblick

Wann liegt eine sexuelle Belästigung vor?

Die sexuelle Belästigung liegt bei jedem unerwünschten sexuellen Verhalten vor, das die Würde der betroffenen Person verletzt.  

Die sexuelle Belästigung kann sehr vielseitig sein. Der § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz sieht dabei folgende Möglichkeiten vor:

  • unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen
  • sexuell bestimmte körperliche Berührungen
  • Bemerkungen sexuellen Inhalts
  • unerwünschtes Zeigen und Anbringen sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen

Beispiele für sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz

Sexuelle Belästigungen können verbal, non-verbal oder auch physisch geschehen. Eine sexuelle Belästigung ist auch immer eine geschlechtsspezifische Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, was weitere Ansprüche nach sich ziehen kann.

 

Wann ist die sexuelle Belästigung unerwünscht?

Hat die betroffene Person bereits erklärt, dass das Verhalten unerwünscht ist, ist dieses Merkmal unproblematisch. Hat die betroffene Person dies jedoch nicht getan, stellt sich die rechtliche Frage, wann ein sexuelles Verhalten tatsächlich unerwünscht sein kann. Dafür reicht es aus, wenn aus objektiver Sicht erkennbar gewesen sein konnte, dass die Verhaltensweise unerwünscht war.

Beispiele sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Ein Arbeitnehmer sagt zu seiner Kollegin in unterschiedlichen Situationen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen,

  • warum sie denn keinen Minirock tragen und damit auf die Leiter steigen würde
  • in Bezug auf einen Zollstock, den sich die Kollegin ausgeliehen hatte: „Der ist so hart und dick wie meiner.“
  • während des Essens, ob sie denn nie Sex beim Essen gehabt hätte
  • und sie auch Sex von ihm haben könne.

Hier waren die Verhaltensweisen zweifellos – aus objektiver Sicht – unerwünscht, auch wenn die Kollegin dies nicht gegenüber dem Arbeitnehmer geäußert hatte. Die außerordentliche Kündigung, die er daraufhin von seinem Arbeitgeber erhielt, war wirksam (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10).

 

Welche Arten von sexuellen Belästigungen gibt es?

Sexuelle Belästigungen sind aus rechtlicher Sicht nicht nur in der klassischen Konstellation zwischen heterosexuellen Männern und Frauen möglich, in denen der Mann die Frau sexuell belästigt (auch wenn diese Variante in der Praxis am meisten vorkommt). Rechtlich ist es auch möglich, dass sexuelle Belästigungen unter Männern oder nur unter Frauen oder auch von Frauen gegenüber Männern stattfinden.

Dies ist immer unabhängig davon zu bewerten, ob die Beteiligten heterosexuell oder homosexuell sind. So können sich beispielsweise auch heterosexuelle Frauen untereinander sexuell belästigen. Diese ganzen Varianten gelten natürlich auch bei transsexuellen Menschen.

Auch spielt es keine Rolle, ob die sexuelle Belästigung einem Leiharbeitnehmer galt oder von eine Leiharbeitnehmer ausging.  Sie kann auch vom einem Mitarbeiter gegenüber einem Kunden erfolgen, auch dann kommt eine Kündigung wegen sexueller Belästigung in Betracht.

 

Wann kann ein ambivalentes Verhalten eine sexuelle Belästigung sein?

Häufig kann nicht genau erkannt werden, ob das Verhalten sexuell gemeint war oder nicht. So kann dies beispielsweise bei einem ambivalenten Verhalten wie einer Umarmung oder einer eher „festen“ Umarmung schwierig sein. Ob in solchen Fällen eine Sexualbezogenheit vorliegt, ist immer nach dem Eindruck eines objektiven Betrachters, der die Umstände kennt, zu beurteilen. 

 

Muss ich mich gegen eine sexuelle Belästigung wehren?

Eine sexuelle Belästigung erfordert nicht, dass betroffene Personen dies erst zum Ausdruck bringen müssen, dass das jeweilige Verhalten unerwünscht ist. Es reicht vollkommen aus, dass schon aus objektiver Sicht erkennbar ist, dass die Verhaltensweise unerwünscht war (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16).

Betroffene Personen sollten sich aber auch nicht aktiv daran beteiligen oder das Verhalten dulden, wenn sie das nicht möchten. Schon aus psychologischen Gründen ist es sehr wichtig in solchen Fällen dem sexuell Belästigenden sofort die Ablehnung zum Ausdruck zu bringen und/oder den Vorfall dem Arbeitgeber mitzuteilen.

 

Kann man wegen sexueller Belästigung gekündigt werden?

Ja, sie stellt einen (schwerwiegenden) Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar und führt regelmäßig zur ordentlichen und/oder außerordentlichen Kündigung.

 

Kann man wegen sexueller Belästigung fristlos gekündigt werden?

Grundsätzlich ja. Es ist jedoch vom Einzelfall abhängig, ob das Verhalten von seinem Umfang und seiner Intensität für eine außerordentliche Kündigung ausreichen wird.  Dies hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab.

 

Müssen Arbeitnehmer wegen sexueller Belästigung vor einer Kündigung erst abgemahnt werden?

Nicht unbedingt. In nur wenigen Fällen könnte eine Kündigung wegen sexueller Belästigung unwirksam sein, weil der Arbeitnehmer hätte vorher abgemahnt werden müssen. Beispielsweise dann, wenn erkennbar ist, dass eine Abmahnung ausreicht, um zukünftige Belästigungen zu vermeiden und es sich bei der Art der Belästigung nicht um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt.

Beispiel vorherige Abmahnung wegen sexueller Belästigung

Ein Arbeitnehmer traf im Sozialraum auf die Reinigungskraft, die von einer externen Firma im Betrieb des Arbeitnehmers eingesetzt wurde. Der Arbeitnehmer sagte ihr, dass sie einen schönen Busen habe und berührte sie an ihrem Busen. Nachdem sein Arbeitgeber davon erfuhr, zitierte er ihn zum Gespräch. Der Arbeitnehmer gestand sein Fehlverhalten ein und entschuldigt sich mehrmals dafür. Die Sache tue ihm furchtbar leid und er schäme sich sehr. Er beteuerte, dass er das nicht nochmal wiederholen werde.

Dennoch erhielt er eine außerordentliche, fristlose Kündigung. Daraufhin schrieb der Arbeitnehmer der betroffenen Reinigungskraft einen Entschuldigungsbrief und zahlte ihr im Rahmen eines gegen ihn eröffneten Strafverfahrens auch ein Schmerzensgeld. Die Reinigungskraft nahm seine Entschuldigung an und teilte mit, dass für sie die Angelegenheit damit erledigt sei. Das gegen den Kläger gleichzeitig erhobene Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wurde daraufhin eingestellt.

Der Arbeitnehmer ging gegen die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vor. Das Arbeitsgericht Wuppertal (Arbeitsgericht Wuppertal Urteil vom 03.11.2012, 5 Ca 2425/12-3) betrachtete die Kündigung als wirksam an, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 12.06.2013, 7 Sa 1878/12) dagegen für unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13) stellte ebenfalls die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung fest.

Der Arbeitnehmer hätte nämlich vorher abgemahnt werden müssen. Er hätte überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen Blackout beziehungsweise um ein sogenanntes „Augenblickversagen“ gehandelt habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass er sein Fehlverhalten wiederholen werde. Er hätte diesen Vorwurf auch abstreiten können, zumal er mit der Reinigungskraft alleine im Sozialraum war.

Vielmehr habe er sofort seinen Fehler erkannt und sich auch entsprechend demütig gezeigt und alles zur Richtigstellung und Entschuldigung getan. Zudem war das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Vorfall einwandfrei gewesen. Bei einer derartigen einmaligen Entgleisung, überzeugenden Entschuldigungsversuchen und einer weniger schwerwiegenden Pflichtverletzung sei eine vorherige Abmahnung erforderlich (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13)

 

Ist sexuelle Belästigung auch strafbar?

Ja, die sexuelle Belästigung ist nach § 184i Strafgesetzbuch auch strafbar. Es können auch weitere Straftatbestände in Betracht kommen, wie Verbreitung pornografischer Inhalte (§ 184 Strafgesetzbuch), Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch), Nachstellung (§ 238 Strafgesetzbuch) oder Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch).

Das Kündigungsschutzverfahren läuft rechtlich unabhängig vom Strafverfahren. Zwar können die Arbeitsgerichte die Ermittlungsakte beiziehen und sich an den Inhalten der Ermittlungen orientieren. Prozessual sind beide Verfahren jedoch getrennt. Es ist deshalb auch möglich, dass in beiden Verfahren es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, beispielsweise die Kündigung wegen sexueller Belästigung wirksam ist, obwohl das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde.

 

Ist sexuelle Belästigung auch Mobbing?

Sexuelle Belästigung kann auch Teil des Mobbings sein. Problematisch beim Begriff des Mobbings ist, dass es sich nicht um einen rechtlichen Begriff handelt wie bei der Diskriminierung oder der Belästigung. Denn Mobbing ist immer eine Erscheinung, die sich aus einzelnen Handlungen zusammensetzt und in seiner Gesamtbetrachtung als Mobbing zeigt. Einzelne Handlungen können dabei auch sexuelle Belästigungen sein. In der juristischen Praxis wird es deshalb die Frage sein, ob nicht die sexuelle Belästigung selbst angegriffen werden sollte, als das gesamte Mobbing, das rechtlich schwerer zu greifen ist.

 

Was kann ich tun, wenn der Arbeitgeber keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung ergreift?

Arbeitgeber sind grundsätzlich verpflichtet, Maßnahmen gegen sexuelle Belästigungen zu ergreifen, § 12 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Tun Sie das nicht, können Arbeitnehmer die Arbeit verweigern, ohne dass sie hieraus Konsequenzen wie Kündigungen befürchten müssen. Dies sieht der § 14 S. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vor. Hier steht:

„Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsplatzes einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.“

Voraussetzung für Arbeitsverweigerung wegen sexueller Belästigung

Vier Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Betroffene bei sexueller Belästigung Ihre Arbeit nach § 14 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz verweigern dürfen:

  • Es muss eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geschehen sein
  • Der Arbeitgeber muss darüber in Kenntnis gesetzt werden
  • Der Schutz der betroffenen Person muss erforderlich sein
  • Der Arbeitgeber darf keine oder nur offensichtlich ungeeignete Maßnahmen ergriffen haben

Als Arbeitsplatz kommt jeder Ort in Frage, an dem die Tätigkeit erbracht werden muss. Das ist nicht nur das Büro oder die Produktionsstätte, sondern auch die Dienstreise, das auswärtige Seminar, die Betriebsfeier, das Weihnachtsessen, der Betriebssport, Sportveranstaltungen wie Firmenläufe, Betriebsausflüge etc.

Sollte die sexuelle Belästigung allerdings außerhalb der Arbeit beziehungsweise der Arbeitszeit stattgefunden haben, greift das Leistungsverweigerungsrecht nach § 14 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz nicht. In diesem Fall könnte allerdings ein anderes Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 Bürgerliches Gesetzbuch in Betracht kommen, was durch einen erfahrenen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, in Idealfall von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht zu prüfen wäre.

Erforderlich ist der Schutz immer dann, wenn die Belästigung noch andauert oder eine Wiederholungsgefahr besteht. Es darf zudem kein milderes, gleich geeignetes Mittel gegeben sein, beispielsweise eine zulässige Versetzung der betroffenen Person auf einen anderen Arbeitsplatz.
 

Offensichtlich ungeeignet sind die Maßnahmen, wenn es aus der Perspektive eines unbefangenen Betrachters auf der Hand liegt, dass die getroffene Maßnahme nicht zielführend ist.  Was erforderlich ist und was nicht, kann nur objektiv festgestellt werden. Das heißt, dass die subjektive Empfindung der Person hier außer Acht gelassen werden muss.

Sind diese Bedingungen erfüllt, dürfen die betroffenen Arbeitnehmer die Arbeit verweigern und haben weiterhin Anspruch auf Vergütung. Eine Kündigung der betroffenen Person ist unter diesen Umständen nicht möglich. Betroffene tragen allerdings das Risiko, die Voraussetzungen auch vor Gericht beweisen zu müssen. Um ganz sicherzugehen, können die Betroffenen auch eine Klage gegen den Arbeitgeber erheben, wonach das Arbeitsgericht feststellen soll, dass sie zur Leistungsverweigerung berechtigt sind. Dies ist als der sicherste Weg auch anzuraten.

Eine gerichtliche Feststellung im Eilverfahren ist rechtlich sehr problematisch und wurde von einigen Landesarbeitsgerichten als unzulässig erachtet (Landesarbeitsgericht Köln Beschluss vom 24.11.2010 – 5 Ta 361/10). Im Zweifel besteht nämlich die Gefahr, dass die Betroffenen nur deshalb wirksam gekündigt werden, weil Ihnen der volle Beweis vor Gericht nicht gelingt.

Insgesamt gibt es zu dieser Frage noch sehr wenig Rechtsprechung. Deshalb ist immer genauestens zu prüfen, ob die Voraussetzungen wirklich vorliegen.

 

Wer muss die sexuelle Belästigung beweisen?

Für eine wirksame Kündigung muss der Arbeitgeber immer beweisen, dass eine sexuelle Belästigung vorlag. Er kann dies im Rahmen einer Verdachtskündigung oder im Rahmen einer Tatkündigung tun. Die belästigte Person kann im Kündigungsschutzverfahren dann als Zeuge genannt werden.

 

Wo finde ich wichtigsten Urteile zur Kündigung wegen sexueller Belästigung?

Die zuletzt wichtigsten Urteil der Arbeitsgerichte zur Kündigung wegen sexueller Belästigung finden Sie in unserem Artikel.