Kündigung wegen sexueller Belästigung – Die 7 wichtigsten Urteile der Arbeitsgerichte

Kündigung wegen sexueller Belästigung - 7 wichtigsten Entscheidungen der Arbeitsgerichte

Überblick

Sexuelle Belästigungen sind keine Kavaliersdelikte. Sie können sehr vielfältige Formen annehmen und ohne eine vorherige Abmahnung zur fristlosen außerordentlichen Kündigung führen. Wir haben die 7 wichtigsten Urteile der Arbeitsgerichte zur Kündigung wegen sexueller Belästigung herausgesucht, die zuletzt veröffentlicht wurden. Die nachfolgende Darstellung zeigt, dass Arbeitsgerichte auch unterschiedlich urteilen können: Mal sieht das Arbeitsgericht keine außerordentliche, sondern nur ordentliche Kündigung für gerechtfertigt an<. Mal soll auch eine Abmahnung schon ausreichend sein, obwohl aus dem Sachverhalt eindeutig eine sexuelle Belästigung hervorgeht. Wenn Sie sich für die kündigungsrechtlichen Einzelheiten der sexuellen Belästigung interessieren, lesen Sie gerne auch in unserem Ratgeber nach. Hier finden Sie weitere Artikel zur sexuellen Belästigung und weiteren Kündigungsgründen.

 

Eine anzügliche Bemerkung kann eine Kündigung wegen sexueller Belästigung rechtfertigen

Es fand eine betriebliche Weihnachtsfeier in einer Gaststätte statt. Eine Mitarbeiterin hatte im Namen aller Kollegen als Geschenk für den Geschäftsführer Blumen und eine Flasche Whiskey gekauft. Das Geld hatte sie hierfür ausgelegt. Während der Betriebsfeier sammelte sie von jedem 10 EUR ein. Als sie bei einem der Kollegen ankam, sagte dieser, dass er das Geld nicht klein habe, sondern nur einen 50 EUR Schein, den die Mitarbeiterin allerdings nicht wechseln konnte. Daraufhin äußerte der besagte Kollege in Gegenwart anderer Arbeitskollegen: „Wir können sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“

Der Kollege erhielt einige Tage später die außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung. Zudem war die Äußerung auch eine Beleidigung, was einen zusätzlichen Grund für eine außerordentliche Kündigung lieferte. Beide stellen unabhängig voneinander Pflichtverletzungen dar. Eine Abmahnung war vor dem Hintergrund nicht erforderlich (Arbeitsgericht Elmshorn Urteil vom 26.04.2023 – 3 Ca 1501 e/22).

 

Das Entblößen der Genitalien ist eine sexuelle Belästigung

Morgens um 6 Uhr fragte ein Mitarbeiter auf dem Bau seinen Kollegen, ob der Transporter da dem Schwein gehöre. Damit meinte er den Kollegen F.M.. Nachdem er die Bestätigung erhielt, ging er zu dem Transporter, öffnete die Fahrertür und entblößte seine Genitalien, hing diese in das Getränkefach der Fahrertür ein, berührte damit die Innenbekleidung des Fahrzeugs und tat so, als wenn er in das Auto pinkeln würde, indem er „entsprechende“ Geräusche von sich gab. Der Kollege, dem dieses Verhalten galt, belud zu diesem Zeitpunkt den Transporter.

Gleichwohl erhielt der Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung. Das Arbeitsgericht Weiden (Arbeitsgericht Weiden Urteil vom 13.03.2023 – 3 Ca 556/22) hielt die außerordentliche Kündigung für unwirksam, legte diese jedoch als wirksame ordentliche Kündigung aus.

Das Arbeitsgericht sah in diesem Verhalten eine sexuelle Belästigung. Damit werde das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt, wonach jeder selbst entscheiden dürfe, wann er in ein sexualbezogenes Geschehen einbezogen werden möchte. Dies gilt auch unabhängig davon, zwischen welchen Geschlechtern ein solches Verhalten an den Tag gelegt wird.

Das Arbeitsgericht sah jedoch eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel für ausreichend an und deutete die außerordentliche Kündigung entsprechend um.

Grund hierfür sei, dass der Arbeitnehmer seit über 4,5 Jahren eine tadellose Beschäftigung geführt habe. Zudem sei der Ton auf dem Bau nun mal etwas härter. Das bedeutet nicht, dass Beleidigungen und sexuelle Belästigungen dieser Art hingenommen werden müssen. Der rauhe Ton sei aber als mildernder Umstand zu berücksichtigen. Auch habe es sich offensichtlich um einen – wenn auch extrem vulgären – Spaß gehandelt.

 

Geschmacklose Äußerung oder sexuelle Belästigung unter Frauen?

Die betroffene Arbeitnehmerin ist als Führungskraft in einer Bundesbehörde beschäftigt. Sie nahm eine Mitarbeiterin in Ihr Team auf, die eine dunkle Hautfarbe hat, weil ein Großvater von ihr aus Sambia stammte. Die besagte Führungskraft erkundigte sich mehrmals beharrlich nach ihrem Großvater und fragte sie dann auch, wo sie ihren Mann kennengelernt habe, ob sie sich in einem Club kennengelernt hätten und er auch Afrikaner sei. In einem weiteren Gespräch soll sie gesagt haben, dass die Untergebene sich sicher sein solle, dass spätestens, wenn sie ein Kind bekomme, sie keine Lust mehr haben werde mit ihrem Mann zu schlafen und dieser deshalb ihr auch fremd gehen werde. Der Sex mit ihrem eigenen Freund sei sehr gut.

Sie erhielt daraufhin die außerordentliche Kündigung. Die betroffene Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/Oder (Urteil vom 30. November 2021 – 3 Ca 727/21) und gewann. Auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14. Oktober 2022 – 12 Sa 51/22) gab ihr in der zweiten Instanz Recht und verwies darauf, dass eine vorherige Abmahnung ausgereicht hätte.

Es handelte sich zwar um unerwünschte und geschmacklose Äußerungen. Sie stellten aber keine schwerwiegenden sexuellen Übergriffe dar, wie es beim unerwünschten Berühren von Körperteilen der Fall ist. Dies betreffe auch die Spekulation über zukünftige sexuelle Verhaltensweisen. Sie sind zwar beschämend und unangemessen. Für eine Kündigung reichte dies diesem Falle jedoch nicht aus.

 

Sexuelle Aufdringlichkeiten gegenüber Praktikantinnen und Werkstudentinnen

Ein Mitarbeiter wurde immer wieder gegenüber Praktikantinnen und Werkstudentinnen sexuell aufdringlich. Gleich zu Beginn ihrer Tätigkeiten fragte er sie, ob sie denn eine Beziehung führen würden und wies darauf hin, dass sexuelle Kontakte im Betrieb erwünscht seien. Auch fragte er sie, ob sie ihn geil finden würden. Er erzählte ihnen dann, dass er es auch schon mal mit Praktikantinnen getrieben habe und sie sich bei ihm hochschlafen könnten. Körperlich berührte er zudem eine Praktikantin mehrfach über die Schulter und klopfte ihr dabei auf ihre Oberschenkel. Eine andere Praktikantin wollte er massieren, fasste ihr auf den Bauch und fragte sie nach einem gemeinsamen Mittagessen. Heimlich nahm er ein Foto mit ihrer Jeanshose auf. Letztlich betonte er, dass er ja auch das Praktikumszeugnis schreibe.

Der Mitarbeiter erhielt eine außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sah die Kündigung als wirksam an (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 20.06.2022 – 12 Sa 434/21). Es handele sich zweifellos um sexuelle Belästigungen, die unerwünscht waren. In diesem Falle war auch eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich.

 

Aufforderung zum Küssen als sexuelle Belästigung

Während einer Pause forderte ein Arbeitnehmer seine Kollegin dazu auf, dass sie ihm doch einen Kuss geben solle und tippte dabei auf seine Wange. Weil die Kollegin ihn ignorierte, rutschte er ihr mit seinem Stuhl näher und fasste ihr auf den Oberschenkel. Die Kollegin schrie ihn an, dass er sie in Ruhe lassen und seine Hand wegnehmen solle. Der Arbeitnehmer ließ jedoch nicht locker, wagte noch einen Versuch. Die Kollegin stand daraufhin auf und ging zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Der Arbeitnehmer erhielt eine außerordentliche und zwei ordentliche Kündigungen. Der Arbeitgeber trug im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens vor, dass er auch schon vor diesem Vorfall mehrmals seine Kollegin belästigt habe. Er habe ihr gegenüber wiederholt geäußert, dass er sie doch liebe, sie ihm ihre Telefonnummer und einen Kuss geben solle.

Sowohl das Arbeitsgericht Mainz (Urteil vom 17.06.2020 – 4 Ca 320/20), als auch in der zweiten Instanz das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25. Februar 2021 – 2 Sa 207/20) hielten alle Kündigungen für unverhältnismäßig und deshalb für unwirksam.

Der Arbeitnehmer hätte erst abgemahnt werden müssen. Es sei nämlich nach seiner 25jährigen beanstandungsfreien Beschäftigung davon auszugehen, dass er nach einer unmissverständlichen Abmahnung mit den Zudringlichkeiten gegenüber seiner Kollegin aufgehört hätte. Die sogenannte Wiederholungsgefahr hätte dann nicht mehr bestanden. Außerdem seien diese Zudringlichkeiten keine schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die eine sofortige Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt hätten.

 

Die Weiterleitung von intimen Fotos als Kündigungsgrund

Der Arbeitnehmer war Führungskraft in einer Filmproduktionsfirma. Er führte eine Affäre mit einer Kollegin, die ihm unterstellt war. Diese Kollegin schickte ihm intime Fotos von sich in Reizwäsche. Der Arbeitnehmer leitete diese Fotos weiter in eine andere WhatsApp-Gruppe, die er mit zwei weiteren Kolleginnen unterhielt. Er schrieb hierzu in die Gruppe, dass seine Kollegin, von der die Fotos stammen und mit der er die Affäre hatte, ihm heute im Büro „einen blasen wollte“. Eine Kollegin aus der WhatsApp-Gruppe teilte dies nach einer Zeit der Affäre des Arbeitnehmers mit. Beide benachrichtigten daraufhin die Geschäftsführung, die dem Arbeitnehmer außerordentlich, fristlos kündigte.

Der Arbeitnehmer verlor seine Kündigungsschutzklage sowohl vor dem Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 13.02.2020 – 5 Ca 4204/19), als auch vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 09.12.2020 – 11 Sa 218/20).

Als Führungskraft habe er nicht nur eine Vorbildfunktion. Er müsse auch Pflichten des Arbeitgebers an die ihm unterstellten Mitarbeiter weitergeben. Dazu gehören auch Rücksichtnahmepflichten, wie der Schutz vor sexueller Belästigung. Die Weiterleitung intimer Fotos stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Mitarbeiterin dar, unabhängig davon, ob er mit ihr eine Affäre unterhalte oder nicht. Hinzu kommt, dass sie der Weiterleitung auch nicht eingewilligt hatte. Sie werde mit der Weitergabe der Bilder als würdeloses Sexobjekt dargestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben.

 

Sexuelle Belästigung durch Zeichnen der Umrisse einer Brust auf dem Arbeitskittel

Der Arbeitnehmer war als Pharmakant in einem Betrieb beschäftigt. Die Mitarbeiter müssen einen weißen Kittel als Arbeitskleidung tragen. Der Arbeitnehmer ging in einer Pause in Gegenwart anderer Kollegen auf seine Kollegin zu und umrandete mit einem schwarzen Stift deren Brust. Auf dem weißen Arbeitskittel entstand so ein dunkler Kreis. Der Arbeitnehmer setzte anschließend zu einer weiteren Bewegung an, die den Eindruck vermittelte, als wollte er auch noch auf der Höhe der Brustwarze einen weiteren Punkt aufmalen. Dazu kam es dann jedoch nicht mehr. Die Kollegin schrie den Arbeitnehmer an, ob er denn bescheuert sei. Aus Scham verschränkte die Kollegin beide Arme vor der Brust, um den aufgemalten Kreis zu verdecken.

Was aus Sicht des Arbeitnehmers als Scherz gedacht war, zog seine außerordentliche Kündigung nach sich. Das Arbeitsgericht Solingen bestätigte die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 04.02.2020 – 2 Ca 917/19). Das Verhalten des Arbeitnehmers stelle eindeutig eine sexuelle Belästigung dar, die die außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung auch rechtfertige. Der Arbeitnehmer habe mit dem Aufmalen plakativ die Geschlechtsmerkmale seiner Kollegin in Gegenwart anderer Kollegen hervorgehoben. Damit habe er zum Ausdruck gebracht, dass er eine Macht auf die Weiblichkeit seiner Kollegin ausüben könne, die ihm aber nicht zusteht. Das Verhalten sei auch nicht als Scherz zu verstehen, weil die sexuelle Anstößigkeit den Scherz bei weitem überlagere.

Weitere kündigungsrechtliche Einzelheiten zur sexuellen Belästigung können Sie in unserem Ratgeberartikel nachlesen.