Geschäftsgeheimnisse

Überblick

Können Arbeitnehmer wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen gekündigt werden?

Ja, der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist ein anerkannter Grund für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung.

 

Müssen Arbeitnehmer wegen des Verrats von Geschäftsgeheimnissen vor einer Kündigung abgemahnt werden?

Nein, eine vorherige Abmahnung ist beim Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht zwingend erforderlich. Hier kommen sehr vereinzelte Fälle in Betracht, in denen vielleicht von einer vorherigen Abmahnpflicht des Arbeitgebers ausgegangen werden könnte.

 

Was ist der Unterschied zwischen Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis?

Betriebsgeheimnisse sind solche, die die personellen oder technischen Umstände des Arbeitgebers, Geschäftsgeheimnisse dagegen solche, die die kaufmännischen Abläufe des Arbeitgebers betreffen. Aus rechtlicher Sicht gibt es jedoch keine Unterschiede.

 

Was sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse?

Arbeitnehmer haben eine Pflicht auf die Interessen der Arbeitgeber Rücksicht zu nehmen. Dies beinhaltet auch die Pflicht zur Vertraulichkeit von sensiblen betrieblichen Informationen. Welche Informationen damit genau gemeint sind, hängt immer von den Umständen ab: Entweder es ist vertraglich konkret geregelt, welche Informationen gemeint sind. Oder es ergibt sich aus der Natur der Information, dass man diese nicht weitergibt (beispielsweise Gewinnkalkulationen, Geschäftsstrategien des Arbeitgebers etc.). 

Als Betriebsgeheimnisse definiert das Bundesarbeitsgericht alle Tatsachen im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind und nach dem Willen des Arbeitgebers auf Grund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.03.1982 – 3 AZR 83/79).

Als Geschäftsgeheimnisse sieht der § 2 Nr. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz solche Informationen vor,

  • die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist daher von wirtschaftlichem Wert ist und
  • die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
  • bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Es ist deshalb nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber subjektiv einen Geheimhaltungswillen an einer Information hat. Es muss auch objektiv ein Geheimhaltungsinteresse an der verratenen Information bestehen. Das Arbeitsgericht muss in problematischen Fällen schauen, ob die Information wirklich schützenswert war oder nicht, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Information auch hätte schützen wollten. 

Beispiele Betriebsgeheimnisse

  • die Liste eines Wellpappeherstellers, auf der Angaben zur Stoffzusammensetzungen enthalten sind und die Liste als „vertrauliche Unterlage – Nur für den Dienstgebrauch“ markiert ist (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 17. August 2001 – 11 (7) Sa 484/00)
  • Verfahrensweisen der Produktion
  • chemische Formeln
  • Konstruktionsbezeichnungen
  • Produkt- und Industriedesigns von Produkten, die noch nicht veröffentlicht wurden

Beispiele Geschäftsgeheimnisse

  • Gehälter von leitenden Angestellten
  • Die Haltung der Geschäftsführung zu einem geplanten Investitionsvorhaben
  • Kundenliste des Arbeitgebers, nicht jedoch eine Adressliste, die aus allgemein zugänglichen Quellen problemlos bezogen werden kann (Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 03.06.2020 – 12 SaGa 4/20)
  • Warenbezugsquellen
  • Bilanzen
  • Absatzplanungen
  • Absicht des Arbeitgebers einer Vielzahl von Arbeitnehmern zu kündigen (Landesarbeitsgericht Hessen Beschluss vom 12.03.2015 – Tv BV 188/14)
  • Keine Geschäftsgeheimnisse sind dagegen beispielsweise Rezepte für Cocktails (Arbeitsgericht Hamburg Urteil vom 01.07.2021 – 4 Ca 17/21)
  • oder Rechnungen und Stundennachweise von Rechtsanwaltskanzleien, die vom Arbeitgeber beauftragt waren (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil vom 04.03.2015 – 3 Sa 400/14)

 

Wann liegt ein Verrat von Geschäftsgeheimnissen vor?

Der Verrat von Geschäftsgeheimnissen kann bei der Nutzung, Erlangung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vorliegen. Arbeitnehmer müssen nicht erst die Geschäftsgeheimnisse weitergegeben haben, sie können auch schon dann gekündigt werden, wenn sie sich den Zugang zu Informationen verschaffen, der ihnen verwehrt ist.

Beispiel Kündigung wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen

Der Arbeitnehmer leitet geschäftliche Mails an seine private Mail-Adresse weiter. Die geschäftlichen Mails enthielten Kalkulationen für verschiedene Projekte, Berechnungsparameter, Vertragsentwürfe und Wartungsverträge. Dies tat der Arbeitgeber, weil er zu einem anderen Wettbewerber wechseln wollte. Die fristlose Kündigung, die der Arbeitnehmer deshalb erhielt, war wirksam (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.05.2017 – 7 Sa 38/17).

Eine Arzthelferin gibt Patientendaten an eine Person weiter, die keine Berechtigung für die Nutzung dieser Daten hat. Die außerordentliche Kündigung war wirksam (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 11.11.2016 – 12 Sa 22/16).

 

Kann ich gekündigt werden, wenn ich Unterlagen des Arbeitgebers kopiere?

Grundsätzlich ja. Kopieren Arbeitnehmer Unterlagen des Arbeitgebers, obwohl sie keinen Zugang dazu haben oder kopieren sie die Unterlagen für den privaten Gebrauch, kann hier nach § 4 Abs. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz schon ein Kündigungsgrund gegeben sein.  

 

In welchen Fällen dürfen Arbeitnehmer Geheimnisse verraten?

Nicht jeder Geheimnisverrat ist ein wirksamer Kündigungsgrund. Das Gesetz sieht in § 5 Geschäftsgeheimnisgesetz für bestimmte Konstellationen vor, dass Arbeitnehmer Geheimnisse verraten dürfen, wenn es sich um

  • die Ausübung der Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit handelt
  • die Ausübung der Pressefreiheit handelt
  • rechtswidrige Handlungen oder Fehlverhalten von Arbeitgebern handelt und mit dem Verrat das öffentliche Interesse geschützt werden soll
  • eine Offenlegung gegenüber dem Betriebsrat handelt, damit dieser seine Aufgaben erfüllen kann

Dem Arbeitgeber sollte aber immer vorher die Gelegenheit gegeben werden, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen oder sie selbst zu beseitigen.

 

Dürfen Arbeitnehmer über das kriminelle Verhalten ihrer Arbeitgeber sprechen?

Grundsätzlich ja und zwar auch, wenn es sich dabei um Betriebsgeheimnisse handelt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich

  • um die Aufdeckung einer rechtwidrigen Handlung
  • oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens des Arbeitgebers handelt
  • und die Weitergabe der Information dazu geeignet ist, das öffentliche Interesse zu schützen.

Arbeitnehmern ist zu raten, in diesen Fällen nicht sofort an die Öffentlichkeit heranzutreten, sondern Missstände intern mitzuteilen und auf Abhilfe zu drängen. Dies dürfte auch erforderlich sein, da Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern eine Loyalitätspflicht haben und die interne Aufklärung Vorrang hat (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 42/16).

Ob es für Arbeitnehmer empfehlenswert mit sensiblen Informationen an die Öffentlichkeit heranzutreten, sollte von Fachanwälten für Arbeitsrecht vorher geprüft werden. Denn sollte das Arbeitsgericht feststellen, dass die Veröffentlichung der Informationen rechtswidrig und die Kündigung wirksam war, können sich weitere Ansprüche des Arbeitgebers, wie die auf Zahlung von Schadensersatz, ergeben.

Kontaktieren Sie uns, damit wir mit Ihnen diese Angelegenheit besprechen können. Gerne vertreten wir Sie auch in einem Kündigungsschutzverfahren bei einer Kündigung wegen angeblichen Verrats von Geschäftsgeheimnissen. In diesem Rahmen versuchen wir eine sehr hohe Abfindung für Sie zu erhalten.

 

Wie lange müssen Arbeitnehmer nach einer Kündigung über Geschäftsgeheimnisse schweigen?

Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über Geschäftsgeheimnisse ihres alten Arbeitgebers schweigen. Dies gilt allerdings nur so lange sie in ihrer Auswahl und Ausübung der Berufsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Das heißt, dass Arbeitnehmer erworbenes Wissen auch beim neuen Arbeitgeber nutzen dürfen, aber zurückhaltend mit der konkreten Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen ihre alten Arbeitgebers umgehen sollten, die sie nicht weitergeben müssen, um ihren neuen Job auszuüben.  

Sind in Arbeitsverträgen Klauseln enthalten, wonach Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einschränkungen oder einer Frist weiterhin Stillschweigen bewahren müssen, so sind diese in der Regel unwirksam (Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 02.12.2019 – 2 SaGa 20/19).

In solchen Klauseln muss konkretisiert werden, welche Informationen für wie lange nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer geheim gehalten werden müssen. Nur dann können sie auch rechtlich wirksam sein.

 

Ist der Verrat von Geschäftsgeheimnissen strafbar?

Grundsätzlich ja. Der § 23 Geschäftsgeheimnisgesetz ist der entsprechende Straftatbestand. Wenn die hier dargestellten Voraussetzungen erfüllt sind, können sich Arbeitnehmer mit dem Verrat von Geschäftsgeheimnissen auch strafbar machen. Der Tatbestand ist sehr weit gefasst, so dass über den Verrat hinaus aus eine mögliche Betriebsspionage, als auch eine Geheimnishehlerei und die sogenannte Vorlagenfreibeuterei erfasst ist.

Dafür müssten Arbeitnehmer den Verrat zumindest zur Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber eines Unternehmens Schaden zuzufügen, begangen haben.

Es handelt sich dabei nach § 23 Abs. 8 Geschäftsgeheimnisgesetz um ein sogenanntes Antragsdelikt. Das heißt, dass die Staatsanwaltschaft nur dann die Ermittlungen einleitet, wenn der Arbeitgeber entsprechenden Strafantrag gestellt oder Strafanzeige erstattet hat. Der Arbeitgeber hat, nachdem er Kenntnis von der Tat erlangt hat, drei Monate Zeit den Antrag zu stellen, § 77b Abs. 1 Strafgesetzbuch.

Die Staatsanwaltschaft kann ansonsten nur dann von sich aus ermitteln, wenn der Verrat ein besonderes öffentliches Interesse begründet und die Staatsanwaltschaft das Einschreiten für geboten hält.

Möchte die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln oder stellt bereits eingeleitete Ermittlungen ein, kann der Arbeitgeber hiergegen nur im Rahmen einer öffentlichen Klage oder einer Privatklage versuchen weitere Ermittlungen gegen den Arbeitnehmer zu veranlassen. In der Praxis scheitern aber häufig viele Arbeitgeber mit diesen Versuchen.

Ein arbeitsrechtlicher Geheimnisverrat kann aber auch weitere Straftatbestände erfüllen, wie beispielsweise die Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 Strafgesetzbuch, Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach § 85 GmbH-Gesetz etc.

 

Können Betriebsräte wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen gekündigt werden?

Verraten Betriebsräte Geschäftsgeheimnisse können Sie entweder außerordentlich gekündigt werden oder der Arbeitgeber kann nach § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz ein Amtsenthebungsverfahren gegen sie einleiten. Diese Amtsenthebung kann sowohl einzelne Betriebsratsmitglieder als auch den gesamten Betriebsrat betreffen. Bezieht sie sich auf den gesamten Betriebsrat, so kann das Gericht die Auflösung des Betriebsrates entscheiden. Dann muss anschließend ein neuer Betriebsrat gewählt werden.

 

Wer sind Berufsgeheimnisträger?

Berufsgeheimnisträger sind diejenigen Arbeitnehmer, von denen das Gesetz eine besondere Verschwiegenheitspflicht verlangt. Das sind namentlich medizinische Berufe, wie Ärzte, Psychologen, Apotheker oder beratende Berufe wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer soziale Berufe wie Pädagogen, Sozialarbeiter, Berufe im öffentlichen Dienst, wie Amtsträger, Mitarbeiter in Polizeidienststellen etc. Der § 203 Strafgesetzbuch (Verletzung von Privatgeheimnissen) sieht hier eine weite Aufzählung von Berufen vor. Arbeitnehmer, die eine dieser Berufe ausüben, müssen besonders vorsichtig im Umgang mit den Informationen sein, die sie über ihre Tätigkeit erhalten. Mit dem Verrat dieser Geheimnisse machen sie sich nicht nur strafbar. Sie können auch außerordentlich gekündigt werden und müssen weitere berufsrechtliche Folgen durch ihre zuständigen Kammern befürchten. Gegen die Kündigung vorzugehen und eine Abfindung noch zu verhandeln, ist dann deutlich erschwert.

 

Müssen Arbeitnehmer Schadensersatz zahlen, wenn sie Geschäftsgeheimnisse verraten?

Grundsätzlich ja. Arbeitnehmer können nicht nur wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen gekündigt werden. Sie können zusätzlich auch für Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers haften. Aber auch hier gilt die Regel, dass der Arbeitgeber die Voraussetzungen dafür vor dem Arbeitsgericht beweisen muss.  Wieviel Schadensersatz Arbeitnehmer dann zahlen müssen, hängt von den einzelnen Umständen ab. 

Reagiert der Arbeitgeber auf einen festgestellten oder auf einem starken Verdacht beruhenden Pflichtenverstoß mit einer verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung, kann er gleichwohl noch ein Interesse daran haben, dass der betroffene Mitarbeiter bei der Aufklärung von beispielsweise Korruptionsvorwürfen mitwirkt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine ganze Gruppe von Arbeitnehmern unter Verdacht steht oder bereits als Mittäter festgestellt ist. Arbeitnehmer müssen dann nicht an der Aufklärung mitwirken, wenn sie sich damit im Zweifel weiter selbst belasten.

 

Darf das Arbeitsgericht die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausschließen, wenn über Geschäftsgeheimnisse verhandelt wird?

Das ist nach § 52 S. 2 Arbeitsgerichtsgesetz möglich. Soll in einem Gerichtstermin vor dem Arbeitsgericht über die Frage eines Betriebsgeheimnisses oder Geschäftsgeheimnisses verhandelt werden, muss das Gericht die Parteien darauf hinweisen, dass ihnen das Recht zusteht, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen. Die Parteien dürfen darüber hinaus auch beantragen, dass das Gericht Informationen für geheimhaltungsbedürftig einstuft. Dann wäre der Zugang zu diesen Informationen eingeschränkt, beispielsweise durch Verwehrung der Einsicht in bestimmte Teile der Akte. Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist ein sehr wichtiges rechtstaatliches Prinzip. Er besagt, dass jede Person in eine Gerichtsverhandlung gehen und zuschauen darf. Deshalb müssen die Arbeitsgerichte hier immer eine sorgfältige Abwägung vornehmen, ob die Öffentlichkeit auch tatsächlich ausgeschlossen werden kann.

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